Optionsscheine für Einsteiger

Gehebelt investieren für Einsteiger. Ist der Börsencrash nicht Nervenkitzel genug? Dann kaufen Sie Optionsscheine. Für jene, die das Risiko eines Totalverlusts nicht abschreckt, gibt's hier Tipps fürs erste Mal.

Die Augen mancher Börsianer glänzen, wenn sie erzählen, wie sie mit Optionsscheinen binnen kurzer Zeit 200, 300 und noch mehr Prozent gemacht haben - und zwar egal ob die Aktienkurse steigen oder fallen. Neidvoll hören da die - seit über einem Jahr - leidgeprüften Aktionäre zu und wollen es auch einmal mit Optionsscheinen probieren. Aber Vorsicht, erzählt wird oft nur von den Gewinnen, nicht aber von den mitunter desaströsen Verlusten. Und anders als bei Aktien kann bei Optionsscheinen nämlich mit einem Schlag das gesamte eingesetzte Kapital weg sein. Oft schneller als man denkt!

Gehebelt investieren

Was macht nun die Faszination, gleichzeitig aber auch das hohe Risiko bei Optionsscheinen aus? Es ist die Hebelwirkung, der "Leverage".

Keine Angst vorm Fachchinesisch - wer die Grundrechnungsarten beherrscht, kann zumindest näherungsweise den Hebel sehr leicht berechnen.

Beispiel: Call-(Kauf-)Optionsschein auf Aktie der Deutschen Telekom. Mit einem derartigen Optionsschein ist der Besitzer berechtigt,

  • bis zum 18. März 2009 (Optionsfrist)
  • eine Aktie der Deutschen Telekom AG (Optionsgegenstand)
  • zum Preis von zehn Euro (Ausübungspreis)

zu kaufen.

Der Optionsscheinbesitzer kann, muss aber nicht sein Optionsrecht ausüben. Ende August wurde die Aktie bei 10,90 gehandelt - wie viel ist dann das Recht, diese Aktie gemäß Optionsbedingungen um zehn Euro zu erwerben, auf jeden Fall wert? Wohl die Differenz zwischen aktuellem Aktienkurs von 10,90 und Ausübungspreis zehn Euro, somit 0,90 Euro.

Nehmen wir an, Sie kaufen um 0,90 diesen Optionsschein. Was passiert dann, wenn der Aktienkurs auf 13 steigt - also um 19 Prozent gegenüber den gegenwärtigen 10,90? Dann ist der Optionsschein auf jeden Fall die Differenz zwischen 13 und dem fixierten Ausübungspreis von zehn wert, also drei Euro.

In diesem angenommenen Szenario steigt also die Aktie um 2,10 Euro (von 10,90 auf 13) und der Optionsschein auch um 2,10 (von 0,90 auf drei).

Der Clou dabei: Es kommt nicht auf die absolute Kurssteigerung an - in beiden Fällen 2,10 -, sondern natürlich auf den Kursanstieg in Prozent des Kapitaleinsatzes!

Die Aktie der Deutschen Telekom ist in unserem Beispiel um 19 Prozent gestiegen, der Optionsschein um 233 Prozent! Also um mehr als das Zwölffache, er hat also einen Hebel von gut zwölf.

Hebel = Aktienkurs / Optionsscheinkurs

im vorliegenden Fall: 12,1 = 10,90 / 0,90

Konsequenterweise müssten Sie daher, wenn Sie auf steigende Aktienkurse setzen, gleich Call-Optis kaufen - hier gewinnen Sie ja wegen der Hebelwirkung wesentlich mehr. Warum kaufen dann Leute überhaupt noch Aktien und nicht gleich Call-Optionsscheine?

Sie bekommen diese Hebelwirkung nicht umsonst, sondern Sie müssen beim Kauf des Optionsscheins auf den inneren Wert ein Aufgeld bezahlen (aktueller Aktienkurs minus Ausübungspreis). Dies wird auch klar, wenn man sich in die Position des ersten Verkäufers des Optionsscheins hineindenkt. Dieser muss auf Abruf Aktien liefern, sollte daher eine Aktienposition in Deutsche Telekom halten und trägt damit das Aktienkursrisiko. Wenn sich die Aktienkurse der Deutschen Telekom gut entwickeln - sagen wir auf 13 Euro steigen -, werden die Aktien dem ersten Verkäufer des Optionsscheins (= Stillhalter) gemäß Optionsbedingungen um zehn Euro das Stück abgerufen und er kann sich über den entgangenen Gewinn ärgern.

Verfällt hingegen die Deutsche Telekom im Kurs auf angenommen acht Euro, so bleibt er auf seinen Aktien sitzen (da niemand die Kaufoption um zehn Euro ausüben wird) und hat den Kursverlust.

Emittent will Stillhalteprämie

Logischerweise will daher der Emittent als erster Verkäufer des Optionsscheins eine Stillhalterprämie (Aufgeld) - als Ausgleich für diese ungünstige Chancen-Risiko-Situation. Gegen Ende August wurde der besprochene Optionsschein auch tatsächlich bei 1,58 gehandelt und nicht bei seinem inneren Wert von 0,90. Dieses Aufgeld ist letztlich der Zeit- oder Hoffnungswert des Optionsscheins.

Optionsscheinkurs = innerer Wert + Zeitwert

im vorliegenden Fall also: 1,58 = 0,90+0,68

Nach folgender Formel wird das Aufgeld in Prozent angegeben:

Aufgeld (in %) = (Optionsscheinkurs + Ausübungspreis) / Aktienkurs

im vorliegenden Fall also: = (1,58+10) / 10,90 = 6,24%

Es ist also um 6,24 Prozent teurer, die Deutsche-Telekom-Aktien durch Kauf des Optionsscheins und sofortige Ausübung des Kauf-Optionsrechts zu beziehen als die Aktie direkt zu kaufen.

Deshalb werden Optionsscheine üblicherweise erst gegen Ende der Laufzeit ausgeübt, wenn der Zeitwert gegen null geht. Dann werden Optionsscheine tatsächlich um ihren inneren Wert gehandelt; dieser kann natürlich nicht unter null fallen. Denn der Optionsscheinbesitzer lässt sein Optionsrecht verfallen, wenn bei Kauf-Optionsscheinen am Ende der Optionsfrist der aktuelle Aktienkurs unter dem fixierten Ausübungspreis der Option liegen sollte.

Andererseits wird auch die Hebelwirkung gebremst, je näher man sich dem "Ablaufdatum" der Option nähert (im Beispiel der 18. März). Nehmen wir den Fall an, dass die Aktie der Deutschen Telekom bis dahin nur um fünf Prozent steigt - also von 10,90 auf 11,45.

Der Optionsschein hätte dann knapp vor Ende seiner Laufzeit einen inneren Wert von 1,45 (= Aktienkurs 11,45 minus Ausübungspreis zehn).

Derzeit kostet hingegen der Optionsschein 1,58 - Sie hätten also selbst bei einem Kursgewinn der Aktie von fünf Prozent mit dem Kauf-Optionsschein rund acht Prozent an Wert verloren!

Nochmals der Grund für dieses paradoxe Ergebnis: Der Rückgang - erst langsam, dann rascher - des Aufgelds bis zum Ende der Optionsfrist wirkt der Hebelwirkung entgegen, bremst diese also. Nur wenn es zu einem deutlichen Kursanstieg der zugrunde liegenden Aktie kommt, können Sie mit einem Call-Optionsschein überproportional verdienen.

Kalkulieren wir daher wieder wie eingangs mit einem - ambitionierten! - Kursanstieg der Deutschen-Telekom-Aktie auf 13 Euro bis knapp vor Ende der Optionsfrist, also um 19 Prozent. Dann würde wie oben errechnet der Call-Optionsschein auf drei Euro steigen. Ausgehend von seinem tatsächlichen aktuellen Kurs von 1,58 wäre das immerhin noch ein Kursplus von 90 Prozent (während der innere Wert um 233 Prozent steigt).

Vergleichen Sie nun 90 Prozent Kursplus beim Opti und 19 Prozent Kursplus bei der Aktie - mit dem Opti hätten Sie das 4,7-fache verdient, dieser "Hebel" wäre daher für Sie tatsächlich wirksam geworden - lassen Sie sich von dem überschlagsmäßig errechneten Hebel von 6,9 (= 10,90/1,58) nicht zu sehr beeindrucken.

Vorsicht: Hebelwirkung in beide Richtungen!

Die Hebelwirkung funktioniert in beide Richtungen: Fallen die Aktienkurse, verlieren Sie mit Call-Optionsscheinen besonders stark! Kaufen Sie etwa 1.000 der beschriebenen Call-Optionsscheine auf Deutsche Telekom, so kostet das bei einem Kurs von 1,58 exakt 1.580 Euro. Sie "bewegen" damit 1.000 Aktien im Kurswert von aktuell 10.900 Euro. Konsequenterweise sollten Sie daher für den Anfang die Differenz von 9.320 Euro auf einem Sparbuch oder als Festgeld parken. Selbst wenn der Optionsschein durch ungünstige Kursentwicklung wertlos werden sollte, haben Sie ja noch die sicher veranlagten 9.320 Euro zuzüglich Zinsen. Selbst bei null Prozent Zinsen können Sie auf den gesamten Betrag gerechnet nicht mehr als 14 Prozent (von 10.900 auf 9.320) verlieren, während sich eine reine Aktienposition im Wert mehr als halbieren kann.

Bei Optionsscheinen empfiehlt sich auch die laufende Kursbeobachtung und das Arbeiten mit zumindest geistigen Stop-loss-Marken, d. h. bei Unterschreiten eines vorher festgelegten Kurses (z. B. 15 Prozent unter dem Einstandskurs) wird beinhart verkauft.

Literatur zum Thema "Optionen und Futures":